Der Skorpion ist seit jeher das Symbol der besonders sportlichen Fiat-Modelle. So auch beim Abarth 124 Spider, der auf die serienmäßigen 140 PS des Fiat 124 Spider 30 italienische Cavallos drauflegt. Kann er damit alles besser, als sein zahmer Bruder? Vor allem mit dem Automatikgetriebe, mit dem der Testwagen vorfuhr? Kann der Skorpion damit so stark zustechen, wie es sein Äußeres zu versprechen vermag? Fahrbericht.

Design – Auf sie mit Gebrüll

Der Fiat 124 Spider an sich ist schon kein Kind von Traurigkeit und spielt gekonnt mit Reminiszenzen an den Fiat 124 Sport Spider. Und auch diesen gab es schon als Abarth. Damals mit schwarzer Haube und schon etwas auf Krawall getrimmt. Gleiches gilt auch für den heutigen Abart 124 Spider – doch dies ist kein muss.

Die Ruhe vor dem Sturm: Beim Anlassen fragt man sich immer wieder, wie ein 1.4er solche Töne von sich geben kann!

So rollte der F-PR 8215 etwas ziviler an, als man zunächst erwartet hätte: Keine mattschwarze Haube, wenig Kriegsbemalung. Und gerade im gelieferten Grau wirkt der Abarth 124 Spider zwar elegant, aber geradezu etwas unauffällig. Doch um aus der Masse – und dieser Begriff scheint bei der homöopathischen Dosis an verkauften Fiat 124 etwas unpassend – herauszustechen, bietet der Roadster andere Merkmale. So wurde der Mittelsteg der Frontschürze genauso in ein leuchtendes Rot gehüllt, wie die Außenspiegel oder der kleine „Play“-Button im Kühlergrill, hinter dem sich der Abschlepphaken verbirgt. “Play” setzt an dieser Stelle schon das richtige Zeichen.

Ansonsten zeigt sich der Abarth als waschechter – und dieser vielgescholtene Ausdruck passt wiederum – Roadster! Eine lange Motorhaube, ein geschärfter Blick, ein kurzes, knackiges Heck und vor allem eines: Ein ratzfatz öffnendes Stoffmützchen. Elektrik? Nichts da! In Windeseile ist der Verdeck entriegelt und nach hinten geworfen. Schließen geht genauso einfach. Dauer? Rund fünf Sekunden – herrlich!

Dach auf und die Natur genießen: Mit dem Abarth 124 Spider gelingt dies bestens

Innenraum – Der Abarth 124 Spider sitzt Slim Fit

Auch im Innenraum spürt man, dass es sich beim Abarth 124 Spider um einen waschechten Roadster handelt: Es geht knapp zu. So knapp allerdings auch nicht. Als 1,91 Meter-Mann flutscht man ins Innere, wie mit dem Schuhlöffel eingelegt. Kleiner dürfte das Interieur wirklich nicht sein, aber Grund zur Klage gibt es auch keinen. Die Sitze passen, könnten allerdings etwas mehr Seitenhalt bieten. Immerhin sprechen wir von der sportlichen Topversion des italienischen Cabriolets. Das Lenkrad liegt gut in der einen, der Schaltknauf perfekt in der anderen Hand. Zu diesem Knackpunkt später mehr. Bleiben wir beim Innenraum: Es wirkt nahezu so, als wäre der Fiat 124 bzw. der Abarth 124 Spider um den Fahrer herumgebaut worden. Ein schönes Gefühl.

Wie maßgeschneidert: Selbst große Passagiere fühlen sich wohl

Gut gelingt auch die Bedienung des kleinen Freudenspenders. Zum einen sind die Instrumente – und der Drehzahlmesser liegt passenderweise im Mittelpunkt – gut ablesbar. Nur die Skalierung könnte sinnvoller erfolgen, als in 30er Schritten. Zum anderen geht die Bedienung des Infotainments gut von der Hand. Dieses stammt im Übrigen direkt vom Plattform-Spender Mazda MX5 ab und tut dem Abarth keinen Abbruch. Die Handhabung über den Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole gelingt nach ein paar Minuten fast blind. Auch an den Lautstärkeregler in der Mittelkonsole gewöhnt man sich schnell. So schnell sogar, dass man beim Umstieg in ein anderes Fahrzeug immer wieder auf dem Mitteltunnel nach ihm sucht…

Suchen kann man Ablagen im Abarth indes größtenteils vergebens. Ein Handschuhfach? Nein, gibt es nicht. Türablagen? Auch nicht. Das kleine Fach in der Mittelkonsole reicht für ein durchschnittliches Smartphone – große Handys passen kaum. Zudem fehlt eine Anbindung über Android Auto oder Apple CarPlay – ganz am Rand erwähnt. Zurück zu den Ablagen bleiben noch das sehr flache Fach unter der Mittelarmlehne zu erwähnen, in das höchstens die Fahrzeugpapiere passen, sowie das Fach, das sich zwischen den Rücksitzlehnen unter dem Verdeckkasten befindet. Es zu erreichen ist eine gute Turnübung, aber tatsächliche Gegenstände hinein – und vor allem wieder heraus – zu bugsieren: Ein Kunst-Akt! Verarbeitungstechnisch gibt es hingegen nichts zu beanstanden. Alles wirkt routiniert eingepasst und gefällt sowohl den Händen, wie auch den Augen. Allen voran der großzügige Einsatz von Alcantara.

Die Sitze könnten etwas mehr Seitenhalt vertragen, gefallen aber mit integrierten Bose-Boxen

Fahreindrücke – Auf sie mit Gebrüll Teil II

Schade, dass Alcantara nicht auch für das Volant verwendet wurde, schließlich will man bei einem rassigen Hecktriebler immer alles im Griff haben. Dabei macht gerade der Moment am meisten Spaß, wenn man nicht alles unter Kontrolle hat – dieser winzige Augenblick. Dieser Wimpernschlag, wenn man das Gaspedal gen Boden drückt, der Vierzylinder aus den vier Endrohren rotzt und die Hinterräder die Haftung verlieren. Aber der Reihe nach.

Die vier Endrohre sorgen für ein Dauergrinsen. Und für genervte Nachbarn…

Ja, unter der langen Haube wohnt ein kleiner Motor. 1.4 Liter klein, um genau zu sein. Doch schafft es das Aggregat zu beachtlichen 170 PS und 250 Nm. Das reicht, um den rund eine Tonne leichten Roadster in knapp unter sieben Sekunden auf 100 km/h zu befördern. Ende ist bei 222 km/h, die aber reichlich an den Mähnen der Insassen zupfen. Doch Highspeed-Fahrten sind ohnehin nicht die Domäne des Roadsters – das ist klar, oder?

Auf die Plätze, fertig, los: Der Abarth geht gut voran

Nein, mit dem Abarth 124 Spider will man lieber über die Westentaschen-Landstraßen krachen. Bei den hier gefahrenen Tempi kann man das raue Brüllen des Vierenders am besten genießen, Zwischenspurts immer wieder zelebrieren und die sämige Lenkung spüren. Es wirkt geradezu so, als würde der Roadster mit einem verwachsen. Einlenkpunkte scheinen aus den Synapsen abgelesen zu werden, Bodenwellen werden vernehmlich, aber nicht störend wieder in Erinnerung gerufen und die scharfe rechts-links-Kombination, die man immer wieder versucht perfekt abzuspulen, lässt man viel zu schnell hinter sich. Schlussendlich ertappt man sich bei dem Gedanken, dass man am liebsten viel früher aufstehen würde, als unbedingt nötig, nur um den Abarth in aller Ruhe und allein über das Geläuf schicken zu können – ein feuriger Gedanke.

Wehrmutstropfen? Die Schaltung. Zu einem waschechten – und dazu so rotzigen – Roadster, wie dem Abarth 124 Spider, passt einfach eine ultra-knackige Sechsgang-Handschaltung. Bekannt ist sie aus dem zivileren Bruder, dem Fiat 124 Spider. Hier rasten die Gänge kurz und bündig in die Gassen, dass es eine Pracht ist. Und die Automatik? Nun, wirklich schlecht ist sie nicht – nur fehl am Platz. Die Schaltvorgänge gehen schnell von der Hand, nur wirkt der Automat beim Gasgeben dann und wann etwas hektisch. Es wird viel zu früh zurückgeschaltet. Nimmt man das Zepter selbst in die Hand, ärgern lange Reaktionszeiten nach Betätigung der Schaltwippen, bis der Gang tatsächlich eingelegt ist. Ansonsten ist der Abarth 124 Spider ein herrlich rauer Anachronismus an die Zeit, in der MG Spitfire und Fiat 124 noch keine seltenen Gäste waren. Als Frischluft noch erlebbar sein durfte, anstatt über die Insassen hinweg zu sausen. Beim Italiener wurde das gut geschafft. Bei niedrigen Tempi weht ein seichtes Windchen, bei Landstraßen-Tempo bekommt erlebt man einen angenehmen Sturm, während bei Topspeed ein echter Tornado wütet. Das passt bestens!

Einzig das Automatikgetriebe mag nicht recht zum rauen Italiener passen

Fazit – Schon Fettes Brot sagten: „Jein“

Das lässt sich weder von der Automatik behaupten, noch vom Preis. 40.000 Euro in der – zugegebenermaßen fast voll ausgestatteten Basis – sind eine Ansage. Mit dem automatischen Getriebe sprechen wir sogar von mehr. Und so wird der Abarth auf unseren Straßen wohl leider ein Exot bleiben. Auch, wenn der tatsächliche Verbrauch von rund 8,5 Litern bei artgerechter Gangart völlig in Ordnung geht, verhagelt der hohe Grundpreis die Massenkompatibilität. Aber es war schon immer etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben.

Der Skorpion sticht wieder – am besten mit Handschaltung