“Selbstfahrende Autos sind wohl eine der spektakulärsten Innovationen in der Mobilitätsgeschichte. Mit dieser bahnbrechenden Technologie beginnt in wenigen Jahren auch ein neues Zeitalter in der Kfz-Versicherung, das wir als einer der führenden Kfz-Versicherer in Deutschland aktiv mitgestalten wollen”, sagte Norbert Rollinger, das ist der Vorstandsvorsitzender der R+V Versicherung AG, bei der Vorstellung von zwei firmeneigenen hochautomatisierten Kleinbussen am 20. Oktober in Frankfurt am Main.

Das Ziel ist ambitioniert: “Noch bevor die neue Kfz-Technik mit ihrer komplexen Software und einer Vielzahl von Sensorsystemen und Kameras Standard auf den Straßen ist, wollen wir mit unserem Forschungsprojekt präzise Erkenntnisse zu den Chancen und Risiken autonomer Fahrzeuge gewinnen – und zwar auf Basis eigener Daten.”

Doch wie und wo wird getestet? Nicht etwa auf einem abgesperrten Gelände, nein mittendrin im Trubel, auf dem Flughafengelände in Frankfurt. Auf einer durchaus belebten Straße:

“Um die selbstfahrenden Fahrzeuge in möglichst unterschiedlichen Verkehrssituationen zu erproben, wird R+V ihre Kleinbusse in den kommenden Monaten an verschiedenen Orten einsetzen. Das erste Testfeld beginnt jetzt auf einer 1,5 Kilometer langen Strecke auf dem Flughafen Frankfurt in Partnerschaft mit der Fraport AG. Am Ende steht der Einsatz auf öffentlichen Straßen – das Zulassungsverfahren läuft derzeit auf Hochtouren.

Täglich passieren rund 2.600 ein- und ausfahrende Fahrzeuge das Tor 3, an dem der Bus eingesetzt wird – davon fast die Hälfte Lkw. Hinzu kommen innerbetriebliche Fahrzeuge und Transporte, beispielsweise knapp 1.000 Frachtschlepper, die pro Tag eine an der Strecke gelegene Schleuse zum Vorfeld passieren oder dieses verlassen.”

Der hochautomatisierte Kleinbus der R+V muss hier in also wirklich in einem realistischen und äußerst belebten Straßenszenario mit Fußgängern und den unterschiedlichsten Verkehrsmitteln zeigen was er kann.

Umgesetzt wird das innovative Forschungsprojekt von einem dreiköpfigen Team des R+V-Innovation Labs “Connected Car” und ich durfte ein paar Fragen stellen:

Welche Erkenntnisse erhofft sich denn die R+V von dem eigenen Test?

Funktionieren Technik und Software autonomer Fahrzeuge dauerhaft reibungslos? Können selbstfahrende Autos und konventionelle Fahrzeuge problemlos und sicher gemeinsam auf der gleichen Straße fahren? Wie hoch ist die Akzeptanz sowohl bei Mitfahrern als auch bei anderen Verkehrsteilnehmern? Welche infrastrukturelle Unterstützung brauchen autonome Elektrofahrzeuge für einen optimalen Betrieb? Spannend sind darüber hinaus auch die Vernetzung von Kommunikations- und Informationstechnologien: Welche interaktiven Möglichkeiten ergeben sich daraus für das Unternehmen und die Nutzer autonomer Fahrzeuge? Und schließlich interessiert es die Versicherung auch, welchen Einfluss automatisiertes Fahren auf die Schadenhöhe und Schadenhäufigkeit hat.

Wie wird das Fahrzeug geladen? Fährt es selbst zur Ladesäule? Induktiv? Wird es angeschlossen?

Das Fahrzeug kann induktiv und konduktiv geladen werden. Bei R+V am Abstellplatz lädt es induktiv und kann auch direkt selbstständig dorthin fahren (Abstellplatz liegt direkt an der geplanten Strecke), am Fraport wird über ein Kabel geladen. Da der Unterstellplatz bei Fraport nicht an der Strecke liegt, wird dorthin manuell gefahren und dann auch manuell das Kabel angeschlossen.

 

Gibt es für die Passagiere einen Notausknopf? Wer fährt in der ersten Testphase mit dem Fahrzeug mit?

Ja, für die Passagiere gibt es einen Notausschalter. Begleitet wird das Fahrzeug von Mitarbeitern von Fraport. Alles erfahrene, klassische Busfahrer, die die Strecke mit all ihren Risiken seit Jahren kennen. Sie haben also alle auch einen Personenbeförderungsschein. Für uns als Versicherung ist natürlich das Thema Sicherheit oberstes Gebot.

Wo sind spätere Einsatzmöglichkeiten geplant? Verbindung der R+V Gebäude? Shuttlebus zum Parkplatz?

Es soll ein Mitarbeitertransport zwischen den R+V-Gebäuden in Wiesbaden angeboten werden. Da das auf öffentlichen Straßen sein wird, benötigen wir dafür die Zulassung. Da liegen wir in den letzten Zügen, haben aber noch einen Punkt offen. Parallel dazu prüfen wir momentan die Machbarkeit weiterer spannender Einsatz- / Testfelder, um möglichst viel zu verproben und Erkenntnisgewinn einzufahren.

Der Bus ist übrigens ein Navya Arma DL3, wird in Frankreich produziert. Er bietet 15 Personen Platz, 11 davon dürfen sogar sitzen. 4,75 Meter lang, 2,11 Meter breit und 2,50 Meter hoch. Die Kopffreiheit dürfte somit gewährleistet sein. 3,45 Tonnen bringt der hochautomatisierte Elektrobus auf die Räder. Er hat einen elektrischen Antrieb, schafft maximal 45 km/h (fährt im Test aber bis zu 20 km/h) und schafft Steigungen von bis zu 12%. Eine 33 kW/h Batterie (LiFeP04) steht zur Verfügung. Bis zu 9 Stunden soll er somit fahren können, in 8 Stunden lädt er an einem 3,6 kW Lader bis zu 90% wieder auf. An einem 7,2 kW Lader geht es sogar innerhalb von 4 Stunden. Der Wendekreis liegt unter 4,5 Meter, das liegt an der Tatsache, dass das Fahrzeug über eine 4-Rad Lenkung verfügt. Die Karosserie besteht aus Polyester, interessanter dürfte noch die Technik sein. Vieles ist darüber nicht bekannt. Zwei 360° Multi-Layer Laser-Lidars, und sechs 180° Mono-Layer Lidars übernehmen die Lokalisation und die Erkennung der anderen Objekte. Die Position und die Orientierung erfolgt anhand der Daten des Antriebssystems und hier seht ihr den Bus auch mal in Aktion:

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Was ein Lidar ist ist bekannt? Lidar steht für engl. light detection and ranging). Hin und wieder spricht man auch von Ladar (laser detection and ranging). Eine dem Radar sehr verwandte Methode zur optischen Abstands- und Geschwindigkeitsmessung, darüber hinaus kann man dieses Lasermessinstrument auch zur Fernmessung einsetzen. Dazu gesellt sich beim R+V Elektrokleinbus noch eine Stereo-Frontkamera. Ich finde das Thema mehr als spannend und informiere hier auch über die weiteren Ergebnisse (sofern ich diese bekomme).

Update: Hier seht ihr übrigens mal das Team das für diesen Testversuch verantwortlich ist! v.l.n.r.: Manuel Wehner (Fraport), Stefan Häfner (R+V), Marcel Heinz (R+V) und Verena Reuber (R+V):

…und hier noch zwei coole Fotos. Der Prototyp kommt während des Testablaufs den Flugzeugen zwar nicht so nahe, aber weiß was die Zukunft bringt? Eventuell werden in der Zukunft die Passagiere hochautomatisiert abgeholt? Dann könnte das z.B. so aussehen:

Als extra VIP-Shuttle für die HONs und Senatoren dieser Welt? Für die Gäste der Business-Klasse? Als Crew-Fahrzeug? Für das Facility Management? Ich hätte da durchaus viele Ideen für eventuelle Einsatzmöglichkeiten.

Fotos & Quelle: R+V / Fraport 2017