Im GM-Konzern ist auch nichts mehr, wie es mal war – oder angeblich noch ist. Opel, so heißt es nämlich, sei zuständig für Fahrdynamik, als letzte Hochburg deutscher Ingenieurskunst im Konzern. Doch die sportlichste Limousine im Konzern kommt jetzt von Cadillac. Dort hat man sich für ein Hinterradantriebs-Konzept entschieden, gegen Aufpreis gibt es Allradantrieb. Als Blaupause diente der BMW 3er, und die Vorgabe wurde nahezu perfekt umgesetzt.

Neben dem in Europa ausschließlich angebotenen Zweiliter-Turbo gibt es in den USA auch noch einen 2,5-Liter-Saugmotor und einen 3,6-Liter-V6. Der Turbo ist derzeit das angenehmste Aggregat, Cadillac will allerdings noch einen ATS-V mit hochaufgeladenem V6-Motor und deutlich über 400 PS nachreichen. Den hätten wir dann auch gerne in Europa.

Was ist das für ein Typ? Eine kompakte Sportlimousine, die konzeptionell dem BMW 3er nachempfunden ist und sich stilistisch an der etablierten Cadillac-Designlinie orientiert. Eigentlich sollte es auch eine zweitürige Cabrio-Variante mit Stoffdach geben – die ist allerdings, wie gut informierte Kreise berichten, gerade gestrichen worden.

Wie fährt er sich? Präzise und sportlich. Die Lenkung ist relativ leichtgängig und direkt, die Karosserie steif, das Fahrwerk mit reichlich Reserven ausgestattet. Der Vierzylinder-Turbo klingt sonor und harmoniert gut mit der Abstufung sowohl der Sechsgang-Handschaltung als auch der optionalen Sechsgang-Automatik. Am ATS ist nichts weich und schwammig – dem Klischee des schaukelnden Ami-Schlittens ist jede Grundlage entzogen.

Kann ich mich darin sehen lassen? Das Auto ist erklärungsbedürftig. Cadillac besaß viele Jahre lang ein etwas halbseidenes Image, inzwischen ist die Marke aus der Wahrnehmung der Kundschaft völlig verschwunden. Die in den USA sehr erfolgreiche Neupositionierung der letzten zehn Jahre ist an Europa spurlos vorübergegangen. Schuld daran sind konfuse Marketing-Aktivitäten: Zeitweise wurde die stolzeste Marke im GM-Stall von einer (mittlerweile insolventen) holländischen Händlergruppe repräsentiert. Und das Design? Ein bißchen enttäuschend. Die harten Kanten, die das Cadillac-Design der letzten Jahre geprägt haben, wurden beim ATS deutlich abgeschliffen. In Europa nimmt sich der Amerikaner allerdings trotzdem recht individuell aus. Besonders in der 1.670 Euro teuren Zusatzfarbe “Black Diamond Tricoat”: Sie ist mit Diamantenpartikeln versetzt. (Die Herstellung des effektvollen Lacks kostet GM übrigens weniger als man denkt)

Ist er praktisch und familientauglich? Ja, wenn einem das Platzangebot einer kompakten Sportlimousine klassischen Zuschnitts genügt. Der Kofferraum faßt 381 Liter, die Rücksitzbank ist geteilt umlegbar, außerdem gibt es eine Durchladeeinrichtung. Man sitzt gut im ATS – auch hinten.

Höhepunkt? Das aufwendig gestaltete Interieur mit einer anspruchsvollen Instrumentierung in Durchlicht-Technik und einer schönen Auswahl von Hölzern und Metallen.

Tiefpunkt? Bei der Abstimmung der Handschaltung hätte sich Zulieferer Tremec etwas mehr Mühe geben können: Das Klassenziel “BMW 3er” wird deutlich verfehlt.

Kann ich ihn mir leisten? Der Einstandspreis für den Handschalter liegt bei 37.500 Euro, und dann ist der ATS bereits sehr ordentlich ausgestattet. Ein großes Fragezeichen steht über dem Wiederverkaufswert. Wer den Wagen nicht ewig behalten will, sollte erwägen, ihn zu leasen.

© Fotos: GM / Cadillac 2012 / Text: Jens Meiners