Das Gesäß nimmt auf der einem Wohnzimmersessel nicht unähnlichen Bestuhlung Platz. Alle Dinge im Sichtfeld des Fahrers kommen einem vertraut vor, eben klassisches Design der 70er und 80er Jahre aus dem Haus mit dem Stern. Der Dreh am Zündschlüssel lässt die acht in V-Form angeordneten Zylinder erwachen, die aber keinesfalls aufdringlich ihren Dienst aufnehmen. Schließlich handelt es sich um ein Fahrzeug der Oberklasse, da geht es im Normalfall ja eher gediegen zu.

1989 Mercedes-Benz 500 SEL W 126 SeiteNicht ganz so gediegen reagiert die Automatik, als ich den Hebel Richtung “R” bugsiere. Hier ist das Alter wohl für ein leichtes Ruckeln zuständig, mit dem das Getriebe meinen Wunsch quittiert. Der Wagen stammt immerhin aus dem Jahr 1989, ist demnach bereits ein Youngtimer auf dem besten Weg zum kommenden Klassiker. Für viele Menschen war er dies schon, als er noch aktuell war.

1989 Mercedes-Benz 500 SEL W 126 hinten rechtsBeim Rückwärtsfahren nimmt man die von außen bereits erkannte enorme Länge des Fahrzeugs von 5,16 m wahr, bei dem es sich um eine Langversion handelt, was am letzten Buchstaben in der Modellbezeichnung ebenfalls zu erkennen ist: Mercedes-Benz 500 SEL. Die alte S-Klasse rollt langsam zurück, als ich den Fuß vom Bremspedal nehme. Ich muss in der engen Straße wenden, was aufgrund der Größe gar nicht so einfach erscheint, durch die gute Übersichtlichkeit der noch sehr klassisch gestalteten Limousine in Verbindung mit der leichtgängigen Servolenkung aber gar kein Problem darstellt. Im Rollbetrieb stellt sich schon ein etwas erhabenes Gefühl ein.

Der notwendige Besuch bei der Tankstelle ist ähnlich erhaben, denn hier spielt man mit großen Summen. Während unser Honda für 20 Euro fast schon halb voll ist, benäßt man bei der Baureihe 126 damit gerade einmal die Innenwände des Tanks. 90 Liter fasst dieser. Bei rund 1,50 Euro pro Liter darf sich jeder Leser selbst ausrechnen, was “Einmal volltanken!” für ein desaströser Satz ist – in finanzieller Hinsicht. Und dieser wird öfter in die Tat umgesetzt, als es einem lieb ist, denn die fünf Liter Hubraum wollen befüllt werden, um die leer fast 1,7 Tonnen wiegende Limousine vorwärts zu bewegen.

1989 Mercedes-Benz 500 SEL W 126 FrontDas geht sogar erstaunlich flott. Wer hier eine gewisse Trägheit vermutet, liegt falsch, der 500er sprintet in rund 8 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h, auch wenn ein Hut auf der gleichnamigen Ablage liegt. Die Beschleunigung wird bei diesem Hecktriebler auch noch eindrucksvoll vermittelt: beim beherzten Tritt auf das Gaspedal, dem Einsatz des Kickdowns, senkt sich das Heck, der Stern an der Front nähert sich seinen Kollegen am Himmel und der Mercedes schiebt ganz ordentlich.  Zumindest bei älteren Verkehrsteilnehmern scheint der Anblick der Front im Rückspiegel noch für Respekt zu sorgen, viele wechseln auf der Autobahn ehrfürchtig auf die rechte Spur, wenn man mit dem Luxusdampfer vergangener Tage angeflogen kommt.

1989 Mercedes-Benz 500 SEL W 126 und neuer Fiat 500Zugegeben, für schnelle Kurvenfahrten auf eng geschwungenen Landstraßen in bergischen Gegenden ist die S-Klasse nichts, die Neigebewegungen sind einfach zu extrem, bergab wird das Heck schnell leicht, hier sollte man definitiv Vorsicht walten lassen oder wissen, was man tut. Dennoch oder gerade deshalb vermittelt die S-Klasse enorm viel Fahrspaß, der einige Zeit lang durchaus bezahlbar war. Nun steigen die Preise langsam wieder an und gute Exemplare werden seltener und vor allen Dingen teurer. Aber immer noch besser als ein italienisches Fahrzeug mit ähnlicher Modellbezeichnung, das aber wesentlich weniger Platz und Fahrspaß bietet ;-) .