Wie ich mich in einem Mercedes verliebt habe – ein ganz besonderer Gastbeitrag von Erkan Dörtuluk:

Bei einem Spaziergang in einer lauen Sommernacht entlang des Rheins entdeckte ich dieses schöne Cabriolet. Natürlich hatte ich die Pagode schon häufig gesehen, aber diesmal überkamen mich Erinnerungen an besondere Momente in meinem Leben, in denen ein Mercedes eine Rolle spielte.

Einer dieser Momente fand statt, als ich etwa 20 Jahre alt war. Ich hatte in der Firma meines Onkels eine ganze Woche lang ausgeholfen. Als er erfuhr, dass ich am Wochenende ein Date hatte, überließ er mir als Dankeschön die Schlüssel seines schokoladenbraunen SL Cabrio.

“Am besten ist, Du holst sie mit dem Mercedes ab. Das hat Stil”
“Ich bin Student – Das passt nicht zu mir”, antwortete ich, allerdings halbherzig. Mir pochte das Herz: Natürlich wollte ich mit diesem todschicken Auto zu meinem Rendezvous! Mein Onkel erteilte mir die Absolution: “Es gibt immer einen Mercedes, der zu dir passt…”

Auf den 50 Kilometern Autobahn, die vor mir lagen, habe ich die Überholspur nie benutzt – Und das, obwohl bis dahin ausschließlich Tachonadeln am Anschlag euphorische Gefühle in mir auszulösen vermochten. Ich hatte das Hardtop abgenommen, die Sonne schien, im Kasettendeck lief “Thank God it´s Friday” und ich malte mir ein perfektes Date und ein tolles Wochenende aus.

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Das “tolle Wochenende” war kurz nach der Autobahnausfahrt vorbei. Der Motor des SL fing an zu stottern. Ich schaffte es mit dem Auto gerade noch bis zur Haustür. Der Öldruck war abgefallen und ich hattes in all der Euphorie nicht bemerkt. Die Folgen: Ein kapitaler Motorschaden und ein geplatztes Date. Wenigstens war mein Onkel nachsichtig mit mir…

Genau ein Jahr später verreiste in anderer Onkel für mehrere Monate ins Ausland. Am Flughafen übergab er mir vertrauensvoll die Schlüssel seines geliebten, dunkelgrünen Mercedes 280 Coupés in die Hand. Für Notfälle.

Der Wagen stand lange in der Garage. Doch dann verabredete ich mich wieder mal mit einem Mädchen und fuhr – um sie zu beeindrucken – trotz langer Haare, Lederjacke und zerrissener Jeans in einem 180 PS starken Mercedes Coupe aus den 80ern zu einer Party mit Gleichaltrigen. Die “Party” entpuppte sich als Lagerfeuer am Waldrand und als sie zuende ging, fragte mich das Mädchen, mit dem ich verabredet war, ob ich sie nach Hause fahren könne.

An diesem Abend saß ich das erste Mal seit der Panne mit dem SL wieder am Steuer eines Benz – Doch diesmal mit einem tollen Mädchen, in das ich über beide Ohren verliebt war. Wir hatten die Scheiben heruntergekurbelt und das Schiebedach geöffnet, um während der Fahrt die außergewöhnlich schönen Sommernacht zu genießen.

“Schon seltsam…Mit einem Mercedes fühlt man sich irgendwie sicherer… Auch wenn man Nachts über verlassene und unbeleuchtete Wege fährt…”

“Es ist aber gar nicht dunkel und verlassen hier…”

Ich hielt den Wagen an – mitten auf der schmalen Straße, stieg aus, lief vor den Wagen und deutete auf den Stern auf der Motorhaube.

“Siehst Du, hier ist ein Stern!”

Anschließend kletterte ich auf die Motorhaube und das Dach des grünen 280ers und zeigte auf die Sterne am Nachthimmel.

“Und da oben sind auch Sterne. Wir sind umgeben von Sternen!”

Das Mädchen, in das ich verliebt war, schenkte mir ihr schönstes Lächeln. “Und soll ich Dir noch etwas sagen? Kein Stern funkelt schöner, als Deine Augen…”

An den aschließenden Kuß durchs Schiebedach werde ich mich immer erinnern. Er war einer der süßesten in meinem Leben. Wir haben uns in dieser Nacht im Sommer die Sterne angesehen. Auf dem Dach vom Mercedes meines Onkels liegend. Aus dieser Nacht wurden Jahre. Viele…

Die Begegnung mit dem Cabriolet am Rheinufer war eine echte Zeitreise. Eine, die nur wenige Momente gedauert hat. Sie hat mich jedoch dazu bewegt, meinen Fotoapparat herauzuholen und das Auto zu fotografieren.

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