Das ich mich für den Werkstoff GFK interessiere ist kein Wunder, schließlich habe ich damals mit dem Vertrieb von GFK-Teilen meine Brötchen verdient. Daher fand ich den Vorstoß von Audi, den Werkstoff nun auch in Automobilen einzusetzen – und zwar als Feder – interessant und habe bereits im Jahr 2012 darüber geschrieben. Dieses Jahr soll die Federn noch zum Einsatz kommen. Ich habe Joachim Schmitt und Christoph Bayerlein zu dem Thema ein paar Fragen gestellt:

Warum erst jetzt? Die ersten GFK-Blattfedern kamen schon in den 80er Jahren zum Einsatz. Wurde die GFK-Feder erst „salonfähig“, weil man jetzt auf der Suche ist nach weiteren Einsparmaßnahmen im Bezug auf das Gewicht?

audi-gfk-feder-automobil-audi-a6-ultra-audi-a7-ultraSchmitt: Die Technologie (Berechnung, Fertigung, Material) musste erst entwickelt werden. Entwicklungsziel war immer eine großserientaugliche Technologie, die große Stückzahlen zu wettbewerbsfähigen Preisen ermöglicht. Dazu müssen etwa Anlagentechnik, verfügbare Materialien (Harzsystem, Glasfaser), Berechnungswerkzeuge, Qualitätsmethoden, Prozessfähigkeit und Zulieferketten beachtet werden. Die Entwicklung wurde bei Audi in der späten Forschungsphase aufgenommen und über Vor- und Grundentwicklung in die Serienentwicklung überführt. Erst mit den neuen Materialien und Methoden kommen die Vorteile der Technologie voll zum Tragen. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die Markteinführung. Diese fortschrittliche Technologie finden Sie derzeit nur bei Audi.

GFK-Federn / Blattfedern kommen ja auch bei schweren Fahrzeugen zum Einsatz, das Fahrzeuggewicht spielt bei der Technik also eher eine untergeordnete Rolle. Wie sieht es bei der Belastung bei höheren Geschwindigkeiten aus? Wird die Feder da anders belastet und wie wurde die neue Technologie erprobt?

Bayerlein: Die Belastung einer Feder ist unabhängig von der Geschwindigkeit. Entscheidend sind die statische Traglast und die dynamische Belastung beim Ein- und Ausfedern. Für die Auslegung einer Fahrwerksfeder für eine bestimmte Beanspruchung sind die Werkzeuge und Methoden seit mehreren Fahrzeuggenerationen vorhanden. Da wir hier aber ein neues Material verwenden, haben wir eine außergewöhnlich hohe Anzahl an Versuchen auf Prüfständen und in Entwicklungsfahrzeugen durchgeführt. Dabei ging es um Belastung, Haltbarkeit Feinabstimmung, aber auch um das Verhalten bei extremen Umwelteinflüssen. Die GFK-Feder hat uns dabei komplett überzeugt.

Glasfaserverstärkter Kunststoff wird im Modellbau, im Schiffsbau und bei Verkleidungen / Windabweisern, Spoilern, Stoßstangen im Zubehör etc. verwendet. Der Grund: Bei Beschädigungen kann man GFK relativ leicht reparieren. Dass man die GFK-Federn nicht instandsetzen kann im Falle eines Unfalles, ist klar, aber wie sieht es bei zukünftigen De-/Montagen aus? Benötigen die Werkstätten neue Werkzeuge / Federspanner? Mitarbeiterschulungen?

Schmitt: Wir haben die Feder so entwickelt, dass alle Arbeiten in den Werkstätten mit den vorhandenen Werkzeugen und Methoden ausgeführt werden können.

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GFK-Federn sind leichter als Stahlfedern und bei der Herstellung wird weniger Energie aufgewendet, wie sieht es aber mit den Produktionskosten aus?

Bayerlein: Die Produktionskosten sind stückzahlabhängig. Da kann die GFK-Feder noch nicht mit der Stahlfeder mithalten. Das ist ganz normal bei neuen Technologien. Auch deswegen haben wir uns hier so aufgestellt, dass wir die Stückzahl rasch hochfahren können.

Nun konnte man der Pressemitteilung entnehmen, dass die Federn in einem zukünftigen Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse zum Einsatz kommt. Ich mutmaße mal, dass diese zunächst in der ultra-Reihe zum Einsatz kommen, ggf. beim Audi A6 ultra. Wie sehen Sie die Chancen, dass wir demnächst alle auf GFK-Federn fahren und vor allem wie sieht es mit der Fertigungsmöglichkeit aus? Ein paar Federn im Labor zu erstellen und zu tempern, ist kein Problem, aber wie sieht es aus bei einer Großserie?

Bayerlein: In den frühen Entwicklungsphasen lag der Fertigung noch ein Laborprozess zu Grunde. Während der Grund- und Serienentwicklung wurde aber neben dem Bauteil auch die Fertigung zum aktuellen Serienprozess weiterentwickelt. Die Anlagen und Technologien für einen Großserienprozess sind vorhanden und können flexibel an die Bedarfe angepasst werden.

Durch die abwechselnde Verzwirbelung der getränkten GFK-Federn werden die Federn standhaft gemacht für die auftretenden Zug- und Druckkräfte, doch wie sieht es aus mit der Zuladung? Sinkt das zulässige Gesamtgewicht, sprich die Zuladung oder haben die GFK-Federn darauf keinen Einfluss?

Schmitt: Die GFK-Feder ersetzt die vorhandenen Stahlfedern eins zu eins. Dadurch ergeben sich keine Einschränkungen der Nutzbarkeit des Fahrzeuges.

Werfen wir einen Blick in die Zukunft, wenn Sie einen Wunsch hätten, welches Bauteil würden Sie noch perfektionieren?
Bayerlein: Mit der GFK-Feder haben wir eine charmante Lösung gefunden. Darüber hinaus gibt es aber in der Fahrwerksentwicklung noch eine Reihe von Möglichkeiten, um Effizienz und Fahrdynamik weiter zu steigern, zum Beispiel in der radselektiven Steuerung. Ich kann Ihnen in jedem Fall versichern, dass wir noch einige hübsche Pfeile im Köcher haben, die wir zum richtigen Zeitpunkt ins Ziel bringen.

…und welche Frage wollten Sie schon immer einmal beantworten?

Schmitt und Bayerlein: Ob wir nicht mal Lust hätten, den frisch durch den TÜV gekommenen Nissan Bluebird aus Ihrem Blog zu fahren. Das wäre sicher – gerade in Sachen Fahrwerk – eine lustige Angelegenheit.

Die Einladung kann ich aussprechen. Wie wäre es mit einem Treffen auf ihrer Teststrecke? Dann setze ich mich mal in das Fahrzeug mit den neuen GFK-Federn und sie drehen ein paar Runden mit meinem Bluebird und anschließend fachsimpeln wir ob “heute wirklich alles besser ist”. Vielen Dank für das Interview!

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Gesprochen habe ich wie erwähnt mit Sebastian Bayerlein und Joachim Schmitt. Bayerlein stieg 2006 bei Audi ein und ist seit 2011 in der Entwicklung von aktiven und passiven Federungssystemen tätig. Der 27 jährige trägt die Verantwortung für die GFK-Feder seit der Entscheidung diese in Serie zu produzieren. Joachim Schmitt ist 32 Jahre jung und studierte zunächst Fahrzeugtechnik in Ulm. Bei Audi ist er seit 2007 in der Entwicklung für aktive und passive Federungssysteme tätig und bereits seit Projektstart im GFK-Feder Projekt tätig.