Der Bugatti Veyron war, unter dem Schutz von Ferdinand Piech, ein besonders exklusives Projekt. Der Supersportler sollte nicht nur irgendein weiterer Konkurrent von Ferrari und Co sein, sondern das Feld der schnellsten Fahrzeuge anführen. So brach der Veyron mit seinen 16 Zylindern den damaligen Geschwindigkeitsrekord für Straßenfahrzeuge und durchbrach mit seinen 407 km/h Höchstgeschwindigkeit alle Mauern. Doch seine Zeit war gekommen und reif für einen Nachfolger, den Chiron. Die Ingenieure standen unter enormem Druck, mussten sie schließlich einen Rekordhalter übertreffen. Doch sie haben es geschafft und einen weiteren Superlativ auf die Beine gestellt und in Genf präsentiert.

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Gestandene Sportwagen vom Schlage eines Lamborghini Aventador oder McLaren P1 sehen gegen den Chiron wie Spielzeugautos aus – zumindest von der Papierform her. Denn das Geschoss des Wolfsburger Protektorats übertrifft sie alle. Aber fangen wir langsam an – die Spannung soll schließlich gehalten werden. Allein die Entwicklung des Fahrzeugs dauerte drei Jahre. Dabei kam ein Motor heraus, der direkt aus der Hölle zu stammen scheint: Acht Liter Hubraum – nochmal ganz langsam: ACHT LITER – aus sechszehn Brennräumen verhießen Leistung, die ein Normalsterblicher nie erleben wird. Das maximale Drehmoment liegt bei 1.600 Nm, was beinahe schon LKW-Niveau übersteigt. Hinzu kommt, dass es bereits bei schmalen 2.000 Touren anliegt. Bei dieser Drehzahl stehen schon 450 Pferdestärken bereit. Bei der doppelten Drehzahl – also bei immer noch unspektakulären 4.000 Touren, stemmt der Chiron schon 900 PS auf die Kurbelwelle, um seine Maximalleistung von unglaublichen 1.500 PS bei 6.700 U/min zu erreichen.

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Dieses kraftvolle Ungetüm im Rücken des Boliden soll für eine Höchstgeschwindigkeit von 420 Stundenkilometern reichen – zumindest offiziell. Aber ich schenke diesem Wert Glauben, schließlich hat Bugatti einen Ruf zu verlieren. Viel interessanter als diese Geschwindigkeit finde ich aber die Beschleunigung. Knapp über zwei Sekunden vergehen, bis 100 km/h anliegen. Nach aberwitzigen sechs Sekunden hat man die 200er-Schwelle durchbrochen, um acht Sekunden später bereits 300 km/h schnell zu sein. Da muss man gut aufpassen, dass einem weder der Führerschein, noch der Weg oder der Sprit ausgehen. Bei Topspeed gönnt sich der Bugatti Chiron 190 Liter auf 100 Kilometer. Die würde er aber gar nicht schaffen, da der Tank „nur“ 100 Liter fasst und das Volumen nach acht Minuten aufgebraucht wäre – sofern die Reifen eine so lange Belastung mitmachen. Eine weitere Zahl: Allein der Bedarf an Kühlflüssigkeit liegt unter Volllast bei 800 Litern in der Minute. Was die Pumpen da leisten müssen, Wahnsinn!

Bugatti Chiron Fotos

Wer jetzt Blut geleckt hat, den möchte ich an dieser Stelle wieder auf den Boden der Tatsachen holen. Das Fahrzeug kostet 2,4 Millionen Euro – exklusiv Steuern. Aber selbst wenn man das Geld einfach so aus dem Ärmel schütteln kann, wie es bereits 160 ausschließlich männliche Interessenten getan haben, muss man zu einem erlesenen Kreis gehören. Einen Chiron bekommt man nur, wenn man zuvor einen Bugatti Veyron besessen hat. So kann man natürlich auch die Gebrauchtwagenpreise ankurbeln. Aber der Besitz des „Alten“ reich noch nicht: Möchte man Eigentümer des 1.500 PS-Geschosses werde, muss man eine Viertelmillion Euro als „Kaufabsichtserklärung“ anzahlen.

Stellt all das keine Hürde dar, braucht man nur noch etwas Geduld. Zwei Jahre mindestens, um genau zu sein. Der Chiron wird nämlich nur etwa 50 Mal im Jahr gefertigt – von Hand versteht sich. Da die Liste der Interessenten aber täglich länger wird und der Supersportler auf 500 Stück limitiert ist, er also maximal zehn Jahre gebaut wird, sollte man entweder anfangen zu sparen oder sich schnell auf den Weg ins „Bugatti-Atelier“ begeben.

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Für den Zusammenbau verantwortlich arbeiten fünf bis sechs Mechatroniker am Auto und benötigen etwa zwei Monate bis zur Fertigstellung. Das Endprodukt wirkt dann aber deutlich ansprechender als sein Vorgänger, der Veyron. 4,54 Meter Länge und über zwei Meter Breite signalisieren sofort, dass dieser Bolide ein besonders exklusives Exemplar ist. Zudem wird der Bezug zur legendären Vergangenheit, dem Bugatti Atlantic, durch das mehrfache Aufgreifen des Hufeisens im Design, hergestellt. Das unterstreicht auch die traditionelle Zwei-Farb-Lackierung. Wie es sich für einen etwa drei Millionen teures Fahrzeug gehört, ist das Interieur makellos. Es ist kühl, sportlich und sogar ein wenig technoid. Damit der Innenraum aber nicht steril wirkt, verkniffen sich die Designer digitale Instrumente. Nur so können begeisterte Passanten, die sich die Nasen an den Seitenscheiben platt drücken, auch die 500 am Ende der Tachometerskale bestaunen.