Volkswagen ist vorsichtiger geworden. Nicht etwa mit seinen Diesel-Motoren – nein, diese Diskussion ist zu leidig, als dass sie hier zum 1.000 Mal aufgegriffen werden soll. Gemeint ist der Name des Volkswagen Arteon: Beim Phaeton war man etwas unglücklich bei der Namensauswahl, da hier der Gefallene griechische Gott assoziiert werden konnte, der sich seine Flügel verbrannte, weil er zu nah an der Sonne flog – Nomen es Omen, oder so. Der Volkswagen Arteon vermeidet dies. Sein Name ist ein Kunstwort und setzt sich aus „Art“, also englisch für Kunst, und „-eon“ zusammen, was einen Bezug zum Topmodell für den chinesischen Markt – dem „Phideo“ – herstellen soll. Wir haben uns angeschaut, was der neue Wolfsburger auf dem Kasten hat.

Design – Kasten? Nix da!

Fließende Linien und ein aufsehenerregender Grill beherrschen das Bild

Aber wieso eigentlich Kasten? Der Volkswagen Arteon hat mit einem Kasten rein gar nichts gemein. Fließende Linien bestimmen das Exterieur und lassen keinen Zweifel daran, dass das viertürige Coupé das neue Topmodell der Wolfsburger sein möchte. So wirkt die gestreckte Linienführung elegant, betont aber gleichzeitig die ausladenden Ausmaße des Niedersachsen. Mit stattlichen 4,87 Metern streckt sich der Volkswagen Arteon fast schon in die obere Mittelklasse – nicht ungewollt. Schließlich gibt es den Luxuskreuzer VW Phaeton nicht mehr, da musste ein neues Flaggschiff angreifen.

Und diese Stelle nimmt nun der neue Volkswagen Arteon ein. Nicht jedoch, ohne gleichzeitig ein weiteres, verflossenes Fahrzeug der Niedersachsen zu beerben: Den Volkswagen CC, wie er zuletzt hieß. Und das gelingt auf Anhieb: Die rahmenlosen Scheiben, die fließenden Linien und das Coupé-haft abfallende Dach wecken sofort Erinnerungen an den nicht ganz unumstrittenen Volkswagen (Passat) CC. Mit diesem gemein hat der Volkswagen Arteon aber, dass er sich viele Komponenten mit dem Passat teilt – MQB (Modularer Querbaukasten) sei Dank.

Die Scheinwerfer des Volkswagen Arteon verschwimmen mit dem Grill

Das sieht man dem Volkswagen Arteon von außen aber nicht unbedingt an. Besonders die Front wirkt sehr neu. Hier haben die Designer darauf verzichtet den typischen, schmalen VW-Grill zu verbauen, der die Scheinwerfer miteinander verbindet. Stattdessen sitzt an der Front nun ein nahezu riesiges Grill-Konstrukt, das nicht nur die Blicke auf sich zieht, sondern auch Selbstbewusstsein ausdrückt. Zudem wirkt diese Idee ungewohnt, da die Scheinwerfer in den Grill übergehen und nicht mehr abgegrenzt sind.

Interieur – Die Verwandtschaft wird enger

Wie bereits erwähnt: Der Volkswagen Arteon nutzt natürlich den MQB, was soweit nicht verwerflich ist. Das sieht man aber gerade dem Cockpit auf den ersten Blick an – hier sitzt man plötzlich in einem Volkswagen Passat. Negativ? Nein, sicher nicht. Zwar hätte man dem eigenständigen Äußeren des Volkswagen Arteon auch ein eigenständiges Interieur gegönnt, aber das ist wirklich Jammern auf allerhöchstem Niveau. Schließlich gefallen die Verarbeitung und Materialauswahl auf Top-Level, sodass der Arteon die etwaige Konkurrenz aus der oberen Mittelklasse wirklich nicht zu scheuen braucht. Außerdem ist das Cockpit sehr ansehnlich gestaltet: Schöne Zierleisten und Lüftungsdüsen, die wirken, als würden sie sich über die gesamte Interieur-Breite strecken sowie Bedienelemente, die nicht nur gerne angesehen, sondern auch benutzt werden.

Hier findet man sich zurecht: Der Innenraum des Arteon stammt vom Passat

Das lässt sich beispielsweise über die digitalen Instrumente sagen, die nicht nur den Drehzahlmesser, Tacho etc. anzeigen, sondern nahezu frei programmiert werden können. Die Navigationskarte lässt sich in unterschiedlichen Größen einblenden, Instrumente variieren, die Musikbibliothek verwalten und und und – Individualität at it´s best also. Zudem behält man immer den Überblick über die wichtigsten Fahrdaten über das Head-Up Display, das über eine ausfahrbare Scheibe angezeigt wird. Das wirkt nicht sehr gekonnt, lässt sich aufgrund der sehr flach stehenden Frontscheibe aber kaum anders arrangieren – kein Drama!

Die digitalen Instrumente lassen sich nun (fast) frei programmieren

Neu im Volkswagen Arteon ist auch das Infotainment, das man allerdings schon von anderen Modellen, wie etwa dem neuen Skoda Octavia oder Volkswagen Golf kennt. Es bindet das Smartphone über Apple CarPlay, Android Auto oder MirrorLink ein und lässt sich über Gesten sehr intuitiv bedienen. Man könnte fast dazu tendieren zu sagen, dass es ein Muster an Bedienbarkeit darstellt, wäre da nicht ein entscheidender Punkt: Die Abwesenheit des Lautstärke-Dreh-Rädchens. Klar, es gibt zwei Taster für das Erhöhen oder Senken der Lautstärke bzw. die Lenkradtasten. Schneller und damit sicherer geht es aber mit dem bekannten Drehrad.

Platz nehmen und ausstrecken: Der Fond lädt zum Verweilen ein

Nichts zu meckern gibt es indes beim Platzangebot des Volkswagen Arteon: Hier machen sich die stattliche Außenlänge von 4,87 m sowie der Radstand von 2,83 m bemerkbar. Man sitzt vorn wie hinten nahezu fürstlich und kann in Sitzreihe zwei sogar die Beine übereinander schlagen. Kopfschmerzen muss man ebenfalls nicht fürchten, die der abfallenden Dachlinie geschuldet sein könnten. Selbst Sitzriesen haben im Fond reichlich Platz für das Haupt.

Fahreindrücke – Der Volkswagen Arteon fährt wie von selbst

Man kann sich nun über das Design streiten – das ist immer eine subjektive Entscheidung. Nichts zu rütteln gibt es aber an den Fahreindrücken: Der Volkswagen Arteon überzeugt auf ganzer Linie. Zur Ausfahrt stand uns der große Diesel, der 2.0 TDI mit Bi-Turbo-Aufladung und 240 PS zur Verfügung. Das Aggregat, das bereits aus anderen Konzern-Fahrzeugen bekannt ist, vereint Sparsamkeit mit begeisternden Fahrleistungen.

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Auf unserer zunächst recht gemütlichen Fahrt über ruhige Landstraßen erreichten wir Werte von teilweise 5,2 Litern auf 100 km laut Bordcomputer. Alle Achtung, schließlich sprechen wir bei Volkswagen Arteon mit diesem Antrieb von einem Fahrzeug, das es auf immerhin etwas über 1,8 Tonnen schafft. Und für ein Automobil mit 240 PS erst recht respektabel. Schließlich schafft es das Aggregat – 500 Nm maximales Drehmoment und Allradantrieb 4Motion sei Dank – den Volkswagen Arteon in 6,5 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h zu beschleunigen. Schluss ist bei 245 km/h – mehr als ausreichend also.

Arteon ganz unartig: Bei Bedarf geht der Wolfsburger forsch ums Eck

Aber nicht nur mit seinem Antrieb schafft es der Arteon, den Spagat zwischen Sport und Komfort zu meistern, sondern erst recht mit seinem neuen Fahrwerk. DCC ist bereits bekannt, aber im Arteon findet es zu seiner Vollendung: Die Abstufung zwischen Sport, Normal und Komfort geschieht hier stufenlos über den 9,2 Zoll Touchscreen des Infotainments. Die Unterschiede sind gewaltig und absolut spürbar. Zudem lassen es zu, die optimale Einstellung für sich zu finden. Davon beeinflusst wird auch der adaptive Tempomat des Wolfsburgers. Verknüpft mit dem Navigationssystem und der Frontscheiben-Kamera erkennt jener die gerade zulässige Geschwindigkeit und bremst beispielsweise beim Erreichen einer Ortschaft auf 50 km/h ab. Am Ende beschleunigt er wieder auf die jeweils zulässige Geschwindigkeit. Hat man den Volkswagen Arteon auf „Sport“ abgestimmt, beschleunigt er selbstständig spürbar vehementer, als im Komfort-Modus. Gleiches gilt für die Kurventempi: Fährt man etwa auf einen Kreisverkehr zu, bremst der Arteon selbstständig ab und beschleunigt nach Verlassen wieder auf das vorgegebene Tempo. Im Komfort-Modus geschieht dies langsam und gediegen, während die Kurvengeschwindigkeit in Sport durchaus höher gewählt wird. Prädikat: Gekonnt!

Fazit – Das Haar in der Suppe

Die Schokoladenseite des Volkswagen Arteon? Das Heck!

Es ist wirklich nicht leicht dem Volkswagen Arteon etwas anzukreiden. Er ist einfach ein ausgewogener Begleiter, der alles mitmacht. Sein Kofferraum ist – besonders in Anbetracht seiner chicen Formgebung – mehr als geräumig, die Platzverhältnisse bestens, die Antriebe (Diesel-Diskussion außen vor) sparsam und dynamisch – was will man mehr? Vielleicht eine Lenkung, die etwas mehr Rückstellkräfte bietet, aber das ist ganz klar ein Thema des Geschmacks. Preislich sollte man sich aber darauf einstellen, dass das viertürige Coupé kein Schnäppchen ist. 52.175 Euro kostet der Wolfsburger mit dem stärksten Diesel. Mit dem Einstiegsaggregat soll er knapp unter der 40.000-Euro-Grenze liegen. Von Volkswagen kann hier keine Rede mehr sein. Für ein aufsehenerregendes Marken-Flaggschiff dürften die Preise – besonders in Anbetracht der Konkurrenzbetrachtung der oberen Mittelklasse – aber in Ordnung gehen.