Den nachfolgenden Beitrag hat mein geschätzter Kollege Lars Döhmann (www.2000km.com) vor ca. zwei Jahren geschrieben. Auf Grund einer aktuellen Diskussion über meine “Länge” auf YouTube, kam er dazu ihn mir zur Veröffentlichung anzubieten. Mir wurde nämlich von einem Zuschauer vorgeworfen, dass ich auf Grund meiner “Größe” ja gar keine Autos beurteilen könne. Dabei bin ich genauso groß wie ein Crash-Test-Dummie und viele andere, großartige, Automobil-Journalisten passen auch nicht gerade in das Raster des perfekten Testers.
Auf den Fotos seht ihr übrigens Crashtst-Dummies von Mercedes-Benz im Einsatz. Diese werden bei der Entwicklung und der Feinabsttmmung von Rückhaltesystemen eingesetzt, aber auch bei der Erprobung. Damit ihr davon mal einen Eindruck bekommt:
Die neue E-Klasse hat im Laufe ihrer Entwicklung über 150 Hochgeschwindigkeits-Crashtests und mehr als 17.000 wirklichkeitsgetreue Crashsimulationen absolviert. Darunter waren nicht nur rund 40 verschiedene Aufprallkonfigurationen, die für Ratingtests und für die weltweite Zulassung der Limousine vorgeschrieben sind. Hinzu kamen auch neun besonders anspruchsvolle, firmeneigene Crashversuche, deren Anforderungen zum Teil weit über die gesetzlichen Bedingungen hinausgehen.
Ein spannendes Video zu dem Thema gibt es auch:
Genug der Vorworte, Danke Lars für den Beitrag, denn heute lernt ihr also etwas über Crash-Test-Dummies, dabei erfahrt ihr auch, wie teuer so ein Crash-Test-Dummy eigentlicht ist.
Die Folgen der zunehmenden Verbreitung von Automobilen waren nicht nur positiv. Mit der immer größeren Zahl von Fahrzeugen auf den Straßen und immer höheren Geschwindigkeiten wurden immer mehr Menschen in Mitleidenschaft gezogen. Das traf nicht nur Fußgänger und andere schwache Verkehrsteilnehmer, sondern eben auch die Autofahrer selbst. Schon bei vergleichsweise niedrigen Geschwindigkeiten verletzten sich die Pkw-Insassen an harten, ungepolsterten Armaturentafeln, wurden von starren Lenksäulen aufgespießt oder gegen und durch die Windschutzscheibe geschleudert. Moderne Rückhaltesysteme wie Sicherheitsgurte, Kopfstützen und Airbags gab es noch nicht. Die Wagen wiesen keine Knautschzonen an Front und Heck auf: Bei einem Aufprall wurde die eingeleitete Energie unmittelbar an die Fahrgastzelle weitergegeben. So hatte der Blutzoll im Straßenverkehr immer weiter zugenommen und damit bedenkliche Ausmaße erreicht. Autounfälle wurden bis in die 1930-Jahre nicht wissenschaftlich untersucht. Noch 1950 war nahezu unbekannt, wie der menschliche Körper auf die physikalischen Belastungen von Beschleunigungskräften mit mehrfacher Erdanziehungskraft reagierte.
Tests mit Tieren und Leichen
Um neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Biomechanik zu erwerben, versuchte nicht zuletzt die Unfallforschung, nun aussagekräftige Daten zu generieren – mit menschlichen Leichen. Zur Ermittlung der Widerstandskraft gegen Quetsch- und Zerrverletzungen wurden Bauteile auf Körperteile und Knochen fallen gelassen, auch ganze Körper wurden in entsprechend tiefe Schächte gestürzt. Die Unfallforscher versahen Leichen, die in Automobilen befestigt waren, mit Beschleunigungs-Messinstrumenten; Aufprall- und Überschlagversuche wurden anschließend ausgewertet.
Die Ergebnisse und Erkenntnisse waren beträchtlich. Durch entsprechende Änderungen an den Fahrzeugen konnte die Zahl der Verkehrsopfer reduziert werden. Es gab nicht geringe moralische und ethische Bedenken gegen Unfalltests mit Leichen. Im Grunde waren viele Möglichkeiten der Unfallforschung mit Leichen bis Mitte der 1950er-Jahre ausgeschöpft, doch es gab auch Versuche mit lebenden Menschen (freiwillig!) sowie Tieren. Es gab zunächst nur wenige ethische Bedenken, lebende Schweine, Bären und Affen gegen Barrieren zu schleudern, bis sich dann doch Proteste mehrten und solche Versuche bis Mitte der 1990er-Jahre aufgegeben wurden.
Der erste Crashtest-Dummy von der Firma Sierra Engineering – ein 95-Prozent-Mann – wurde für die Luftwaffe auf 1000 km/h beschleunigt und von Kränen in die Tiefe fallen gelassen.
Erkennbarer Sicherheitsgewinn
Erst in den frühen 1950er-Jahren wurden Dummies für die Automobilforschung entwickelt, die jedoch noch nicht allen Ansprüchen genügten. Schnelle positive Auswirkungen hatten die Versuche dennoch, weil das Lenkrad als gravierendes Verletzungsrisiko erkannt und dann verändert wurde. Lenksäulen, die sich bei einem Aufprall falteten kamen in den 1960er-Jahren auf und minderten die Todesfälle erheblich. General Motors-Techniker entwickelten daher das Dummy-Modell Hybrid I, das bei Gewicht und Körpergröße die Durchschnittswerte der männlichen Bevölkerung aufwies, ein sogenannter 50-Prozent-Mann.
General Motors machte in Zusammenarbeit mit der Society of Automotive Engineers (SAE) das Design dieses Dummies allgemein zugänglich für Autohersteller. Mit verbesserter Schulter- Wirbelsäulen- und Knie-Mechanik betrat 1973 der weiterentwickelte Hybrid II die Unfallforscherszene. Wie sein Vorgänger hatte er wieder Beschleunigungs-Aufnehmer in der Brust, dem Kopf und dem Becken sowie ein Messgerät zum Aufzeichnen der auf die Oberschenkel wirkenden Kräfte.
Hybrid-Dummy mit Familie
Dennoch blieb viel Spielraum für Verbesserungen. Die recht grob ausgebildeten Dummy-Eigenschaften waren nicht für alle Tests geeignet und mussten verfeinert werden. Nur drei Jahre nach dem Hybrid II stellte General Motors daher den überarbeiteten Hybrid III vor, einen 50-Prozent-Mann. Der ist bis heute im Einsatz und bekam sogar eine Familie. Er hat einen großen Bruder, den 95-Prozent-Mann. Der ist aufrecht 188 Zentimeter groß und 101 Kilogramm schwer. Die kleine Schwester dagegen kommt nicht über eine Größe von 152 Zentimetern hinaus und bringt nur 54 Kilogramm auf die Waage.
Dazu kommen drei Hybrid-III-Kinder-Dummies, die ein Alter von drei, sechs und zehn Jahren repräsentieren und 16,2, 23,4 und 35,2 Kilogramm schwer sind. In der modernen Ausführung können diese Hybrid-III-Dummies mit Sensoren am Kopf, Nacken, der Brust und Wirbelsäule, an Becken und Beinen ausgerüstet sein. Kraftsensoren und Beschleunigungs-Messgeräte sowie Winkelmesser für die Knie- und Winkelgeschwindigkeitsmessgeräte für den Kopf kommen ebenfalls zum Einsatz.
Thor und Computersimulationen
Neben dem Standard-Modell Hybrid besonders für Frontalaufprall-Tests gibt es Spezialisten: den Side Impact-Dummy in europäischer und US-amerikanischer Ausführung und den Rear Impact-Dummy für rückwärtige Aufprallversuche. Für die Untersuchung von Kindersitzen gibt es den Dummy „CRABI“. Fußgänger simuliert der Biofidel-Dummy – zur Messung der wirkenden Beschleunigungen ist er im Bereich der Hüfte mit einem Unfalldatenschreiber bestückt. Mit Thor gibt es sogar eine Weiterentwicklung von Hybrid III: mit verbesserter Wirbelsäule und optimiertem Becken sowie empfindlicheren und genaueren Sensoren, auch im Gesichtsbereich. Vollständig ausgerüstet kostet ein Dummy rund 150 000 Euro.
Einer der wesentlichen Vorteile der Dummy-Einsätze ist die Reproduzierbarkeit der Versuchsergebnisse, was die prinzipiellen Auswirkungen auf den menschlichen Körper betrifft. Für die Fahrzeuge gilt das wegen Serienstreuung und anderer Faktoren nicht unbedingt. Trotz gewisser Unschärfen bei den Unfallergebnissen mit Dummies, die ein menschliches Wesen eben nur annähernd und nicht exakt abbilden, werden Computersimulationen die Hybrid III-Versuche nicht ersetzen. Trotz üppiger Rechnerkapazitäten sind die Computer-Modelle von Körpersystemen nicht genau genug.
Ein wesentlicher Vorteil der Berechnungen ist aber, dass sich damit der Bedarf an physischen Tests, bei denen ja viele Fahrzeuge zerstört werden, auf ein Minimum reduzieren lässt. Immer noch werden vor der Serienfertigung eines neuen Automobils etliche Vorserienfahrzeuge an Barrieren zerschellen und Dummies ihre Sensoren bedingungslos hinhalten. Für die gesetzliche Zulassung neuer Fahrzeugmodelle ist die Ermittlung der Eigenschaften mittels solcher physischen Crashtests vorgeschrieben. Die Ausbeute an neuen Daten für die Unfallforschung ist indes eher gering. Längst haben die Hersteller aus den Erkenntnissen die entsprechenden Rückschlüsse gezogen und Verbesserungen im Fahrzeugdesign und -bau sowie bei der Ausstattung einfließen lassen, etwa in Form von Kopf-, Knie-, Seiten- und weiteren Airbags.
Sierra Sam von 1949 gilt als der erste Crashtest-Dummy. Er wurde für die US-Luftwaffe entwickelt, um Schleudersitze und Gurte zu testen. Mit 1,85 Meter Größe war er ein „95-Prozent-Mann“.
Der 95-Prozent-Mann ist größer und schwerer als 95 Prozent der männlichen Erwachsenen. Sein Gegenstück ist die 5-Prozent-Frau, die kleiner und leichter ist als die Mehrzahl weiblicher Erwachsener.
Bekanntester amerikanischer Hersteller von Crastest-Dummies ist die Firma Denton ATD. Die Firma gilt als Weltmarktführer solcher Versuchs-Puppen und baut auch die Hybrid-III-Dummy-Familie.
Hybrid III-Dummies werden vor dem eigentlichen Test kalibriert, um die Instrumente abzustimmen und die Funktion zu prüfen. Mit flüssiger Farbe an Kopf und Knien versehen, werden beim Aufprall über 30 Daten gespeichert.
Text: © Lars Döhmann
Fotos: © Daimler AG
Video: © R+V24