Lotus Emira Turbo SE TestLotus Emira Turbo SE Test

Es gibt Autos, die man nicht einfach fährt, sondern erlebt. Der Lotus Emira Turbo SE gehört dazu. Schon beim ersten Blick auf die flache Silhouette mit dem breiten Heck, den muskulösen Schultern und der fast schon unanständig tiefen Sitzposition weiß man: Hier geht es nicht um Alltagstauglichkeit, hier geht es um Leidenschaft auf vier Rädern. Und um die Frage, wie viel analoge Emotion in einer zunehmend digitalen Autowelt noch Platz hat.

Ein Herz aus Affalterbach

Unter der Haube des Emira schlägt ein Herz, das Kennern bekannt vorkommen dürfte. Lotus greift beim Turbo SE auf einen 2,0-Liter-Vierzylinder von Mercedes-AMG zurück. 298 kW, also 406 PS, schicken den 1.455 Kilogramm leichten Zweisitzer in 4,0 Sekunden auf 100 km/h. Wer es darauf anlegt, kann bis 291 km/h weitermachen. 480 Newtonmeter Drehmoment liegen zwischen 3.000 und 5.500 Touren an – ein Plateau, auf dem man gerne ein paar Minuten verweilt.

Lotus Emira Turbo SE Test Fotos

Klingt nach kerniger Performance? Ist es auch. Und zwar einer, die man hört. Der Turbo zischt, das Wastegate faucht und beim Lupfen blubbert es aus der Abgasanlage, als hätte jemand eine britische Pubkapelle ins Heck verfrachtet. Lotus bleibt sich treu und liefert Soundkulisse inklusive Gänsehaut.

Schönheitskur mit Aerodynamik-Diplom

Optisch ist der Emira ein Fest für die Augen. Seit 1948 bauen sie in Hethel Sportwagen, und man merkt, dass sie wissen, was sie tun. Die Designer haben ein Coupé gezeichnet, das aus jeder Perspektive wie ein aufgestellter Pfeil wirkt. Tief, breit, muskulös und voller Details, die nicht nur hübsch aussehen, sondern auch funktionieren.

Luftkanäle und Auslässe sind so geschickt integriert, dass man sie fast übersehen könnte, doch sie sorgen dafür, dass der Emira auch bei hohen Geschwindigkeiten nicht nur auf der Straße bleibt, sondern sie regelrecht umarmt. Die 20-Zoll-Räder mit 245er Gummis vorn und 295ern hinten tragen ihren Teil dazu bei, dass der Lotus auf der Landstraße klebt wie ein Post-it am Kühlschrank.

Lotus Emira Turbo SE Innenraum Fotos

Keine Klappe vorn, dafür jede Menge hinten

Ein Mittelmotor-Sportwagen folgt eigenen Regeln, das merkt man spätestens, wenn man vorne nach einem Kofferraum sucht. Spoiler: Es gibt keinen. Stattdessen verstecken sich dort Kühler und Aerodynamik-Elemente. Hinten findet man aber ein kleines Gepäckabteil, das Platz für Handgepäck, Jacke und eine Laptoptasche bietet. Sogar ein Kleiderhaken ist an Bord, auch wenn der aus schnödem Kunststoff besteht. Aber ganz ehrlich: Wer schaut da schon hin, wenn 406 Pferde nur darauf warten, loszugaloppieren?

Innenraum: Britischer Sportsgeist trifft Komfortzone

Im Cockpit wird klar: Lotus kann nicht nur Leichtbau, sondern auch Luxus. Alcantara-Himmel, cognacfarbene Sportsitze mit guter Oberschenkelauflage, feines Leder am Armaturenbrett – hier darf man sich wohlfühlen, während man mit 291 km/h über die Autobahn fegt.

Das Infotainment ist modern, unterstützt Apple CarPlay und Android Auto, liefert Navigationsdaten und zeigt G-Kräfte an – alles auf einem zentralen Display, das angenehm unbritisch funktioniert. Dazu gibt es echte Drehregler für Temperatur und Lautstärke. Oldschool? Vielleicht. Praktisch? Auf jeden Fall.
Was fehlt, sind moderne Assistenzsysteme. Kein adaptiver Tempomat, kein Spurhalter, kein Totwinkelwarner. Hier fährt der Mensch, nicht die Maschine. Für Puristen ein Segen, für Langstreckenfahrer ein kleiner Wermutstropfen.

Technik trifft Trägheit: Das Getriebe

So viel Licht, es gibt auch Schatten. Das Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe stammt – so berichtet es uns Olli – nicht von AMG, sondern von Volvo und laut Olli merkt man das. Beim Wechsel zwischen den Fahrstufen gönnt sich die Technik eine Gedenksekunde. Wer auf dem Supermarktparkplatz hinter einem Emira steht, fragt sich vielleicht: „Was macht der da vorne?“ Antwort: Er legt gerade den Rückwärtsgang ein.

Auch im manuellen Modus reagiert das Getriebe nicht so giftig, wie man es von einem 400-PS-Sportwagen erwarten würde. Schade, denn der Rest des Autos schreit förmlich nach Performance ohne Verzögerung.

Fahrdynamik: Kurvenräuber mit Charakter

Auf der Strecke zeigt der Emira, warum Lotus seit Jahrzehnten für Fahrspaß steht. Das Fahrwerk ist straff, aber nicht unkomfortabel, die Lenkung präzise und ehrlich. In Kurven bleibt er flach und neutral, die Balance ist mustergültig. Ob im Tour-Modus gemütlich cruisend oder im Track-Modus mit voller Attacke. Was sagt uns Olli noch? Der Emira fühlt sich immer leichtfüßig und direkt an!

Und ja, er kann auch Launch Control. Die Werksangabe von 4,0 Sekunden auf 100 km/h haben wir zwar nicht ganz erreicht! 4,68 Sekunden standen auf dem Messgerät! Zugegeben: Das ist Jammern auf hohem Niveau. Vielleicht war der Asphalt zu kalt. Oder Olli zu schwer gefrühstückt. Wer weiß das schon.

Britischer Spaß hat seinen Preis

Günstig war ein Lotus noch nie, und der Emira macht da keine Ausnahme. Der Turbo startet bei 97.500 Euro, für den Turbo SE müssen mindestens 109.500 Euro auf den Tisch gelegt werden. Viel Geld für ein Auto mit vier Zylindern? Vielleicht. Aber auch ein Preis für ein Stück automobile Leidenschaft, das so nicht mehr viele Hersteller bieten.

Mehr Emotion geht kaum

Der Lotus Emira Turbo SE ist ein Auto für Menschen, die fahren wollen, statt gefahren zu werden. Er ist kompromisslos, emotional, laut, schön und in mancher Hinsicht auch ein bisschen eigen. Er nervt mit einem trägen Getriebe, säuft in der Stadt wie ein britischer Fußballfan nach dem Spiel und bietet kaum Assistenzsysteme. Aber all das vergisst man nach den ersten hundert Metern. Denn was der Emira kann, ist Gefühle erzeugen. Und das ist in einer Zeit, in der viele Autos eher Smartphones auf Rädern sind, vielleicht sein größtes Kompliment.

Ihr wollt noch mehr Eindrücke und vor allem technische Daten? Dann schaut euch doch das AusfahrtTV News Video zum Lotus Emira Turbo SE auf YouTube an, vielen Dank an Olli & Steffen von einfachelektrisch.net, denn ohne die beiden hätte ich euch dieses Video nicht präsentieren können: