Im Jahr 1970 hat die Daimler-Benz AG den Windkanal der FKFS übernommen. “Die Verwaltungshoheit verbleibt bis 1974 noch beim FKFS. Danach leitet das Unternehmen einen 8 Millionen DM teuren Umbau und die Modernisierung der gesamten Anlage ein, was fast zwei Jahre in Anspruch nimmt. Im April 1976 nimmt der Entwicklungsbereich von Mercedes-Benz den Betrieb der Anlage mit vierfach erhöhter Kapazität auf.” – so steht es in einer Pressemitteilung vom Hersteller.

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Ich weiß auch nicht warum, aber Windkanäle und die entsprechenden Fotos bzw. Videos haben eine ganz besondere Anziehungskraft auf mich. Ich hätte sogar mal die Chance gehabt einem Windkanal-Testversuch beizuwohnen, leider hatte ich da keine Zeit. Hier noch ein paar technische Daten zur Anlage von Mercedes-Benz:

“Zur Kapazitätssteigerung werden eine Windkanalwaage, eine Vielstellen-Druckanlage sowie ein Leistungs-Rollenprüfstand installiert. Die in einer drehbaren Bodenplatte eingebaute Windkanalwaage ersetzt die bis dahin verwendete Hängewaage, bei der das Fahrzeug in einem H-förmigen Rahmen an vier Stahlseilen aufgehängt und die vier Stahlseile an den Auftriebswaagen in der Drehbühne aufgehängt wurde. Bei der jetzt eingebauten Unterflurwaage steht das Fahrzeug auf vier Aufstandsplatten, die im Boden der drehbaren Messplatte höhengleich eingebaut sind. Die Aufstandsplatten stehen auf vier einzelnen Auftriebswaagen, mit denen die Auftriebskräfte gemessen werden. Durch die drehbare Messplatte können die Einflüsse von Seitenwind simuliert und gemessen werden.”

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Das war in den 70er Jahren, Mitte der 80er Jahre wurde aber kräftig umgebaut: “Mitte der 1980er-Jahre wird im Hinblick auf beschleunigte Verfahren und präzisere Werte der Windkanal erneut modernisiert. So wird beispielsweise eine Traversieranlage eingebaut, die exakte und schnelle Konturvermessung, Strömungsvermessung und Stirnflächenvermessung ermöglicht. Bei der Konturvermessung, die bis dahin mithilfe von Schablonen, Fotos und Vermessung mit Maßstäben erfolgte, wird die Kontur nun zwecks höherer Genauigkeit durch einen sogenannten Optocator (ein optoelektronischer Diodenlichtlaser-Anzeiger) in Koordinaten erfasst. Die Strömungsvermessung erfolgt anstelle manuell positionierter Sonden jetzt mit Sonden, die automatisch ein Messpunktgitter abfahren. Wurde die Vermessung der Fahrzeugstirnfläche früher durch ein Laserverfahren mit einem Zeitaufwand von vier Stunden durchgeführt, ist jetzt mit Kantentracking lediglich ein Zeitaufwand von einer halben bis einer Stunde erforderlich. Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit, nun auch Nutzfahrzeuge in voller Größe zu messen.”



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Was macht man in so einem Windkanal? Wofür braucht man den? “Neben Aerodynamikuntersuchungen lässt sich der Windkanal für weitere Arbeiten nutzen, beispielsweise Verschmutzungsmessungen und Messungen der Wischgenauigkeit von Scheibenwischern im Hochgeschwindigkeitsbereich, Temperaturmessungen an Kühler und Bremsen sowie Untersuchungen über die Fahrgastraumbelüftung.” und nun folgen die technischen Daten des Windkanals, so wie er heute im Mercedes-Benz Werk Untertürkheim steht:

Windkanalwaage, Vielstellen-Druckanlage, Leistungs-Rollenprüfstand, Traversieranlage, Datenerfassungsanlage, Länge der Messstrecke: 10 Meter, Länge der Kanalachse: 125 Meter, Düsenquerschnitt: 32,6 Quadratmeter, Maximaler Strömungsquerschnitt: 120 Quadratmeter, maximale Blasgeschwindigkeit: 250 km/h, maximale Antriebsleistung: 5.000 kW, Gebläsedurchmesser: 8,5 Meter, Drehscheibendurchmesser: 12 Meter, Schwenkbereich der Drehscheibe: 180 Grad, maximale Achslast: 10 Tonnen, Kontraktionsverhältnis Vorkammer/Düse: 3,6… der Wert? Uninteressant! Der Mehrwert für die Fahrzeugkäufer, sicherlich unbezahlbar!

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Quelle: Pressemitteilung Mercedes-Benz – Fotos: © Daimler 2013 (auf dem Foto sieht man übrigens S-Klassen. Die Foto sind allerdings recht aktuell, die Fahrzeuge standen im März in Untertürkheim unter “Windbeschuss”.