Wie man es unserem Fahrbericht zum neuen Porsche 911 Turbo Cabrio schon angemerkt hat: Wir waren schwer begeistert vom Stuttgarter. Aber wir haben auch festgehalten, dass es noch eine Stufe höher, schneller und explosionsartiger geht. Dieses Feld deckt der Porsche 911 Turbo S ab. Er bietet mit seinen 580 Zuffenhausener PS 40 mehr, als die Variante ohne S. 750 Nm und eine nochmal bessere Beschleunigung machen ihn endgültig zum Katapult in die Glückseligkeit. Allerdings muss man für diesen Boliden, wie man es von Porsche gewohnt ist, durchaus solvent sein. Wir haben den weißen Blitz auf der Rennstrecke Kyalami in Südafrika artgerecht bewegt, ihn aber auch durch die schier unendlichen Weiten des traumhaft schönen Landes gescheucht. Einen besseren GT kann es nicht geben. Warum das so ist, beleuchten wir im Detail.

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Fahrbericht Porsche 911 Turbo S

Wir stehen an der Ausfahrt der Boxengasse, beide Vorderräder direkt auf der weißen Exit-Linie. Der Wahlhebel des PDK steht auf D, der linke Fuß auf der Bremse, der rechte Tritt das Gas voll durch. Was beim Loslassen geschieht, gleicht dem Ritt auf der sprichwörtlichen Kanonenkugel. Zumindest im Traum – geschehen ist das so nicht. Los ging es in der Boxengasse ganz zivilisiert: Mit gemächlicher Geschwindigkeit rollten wir durch die Pitlane, bis der Instruktor am Ende plötzlich davoneilte. Wir taten es ihm nach, stellten das Gaspedal des jungfräulichen Turbo S dem Bodenblech vor und versuchten aufzuschließen. Am Ende der Gerade zeigt das Tacho knapp 220 km/h an, bevor hart geankert wird. Es ist schon fast gruselig, wie bestialisch der Zuffenhausener nach vorn presst.

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Auf der Bremse zeigt sich jedoch ein völlig gegenteiliges Bild: Die Verzögerung kommt dem Zusammenstoß mit einer Mauer nahe, der Kopf neigt sich unweigerlich nach vorn. Der Instruktor, kein geringerer als Jörg Bergmeister, lässt uns rankommen: es geht in eine starke Linkskurve mit 180 Grad, in der man früh aufs Gas steigen und sich weit nach außen fallen lassen kann. Der Porsche 911 Turbo S zeigt dabei nicht einmal den Funken von Nervosität, Instabilität oder Schlupf. Es ist enorm beeindruckend, wie satt dieser 911 auf der Piste liegt und wie unbeirrbar er seiner Bahn zieht. Also hinter Bergmeister hinterher in eine weitere, aber leichtere Linkskurve, die man allerdings voll nehmen kann. Es geht weiter bis auf etwa 190 km/h, bevor wieder hart gebremst wird, um in die 90 Grad-Rechtskurve einzubiegen. Das weiße Coupé wird beim harten Anbremsen etwas nervös an der Hinterhand und tänzelt minimal mit dem Heck – jedoch fern ab von kritisch oder irritierend.

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Irritierend ist nur, wie wenig man als Otto-Normal-Fahrer vom Potential des Turbo S ausschöpfen kann. Das wird einem klar, wenn man sieht, wie Jörg Bergmeister mit dem Geschoss umgeht und wie schwer es einem fällt, an ihm dran zu bleiben. Dabei fährt er ja nicht mal auf der letzten Rille, schließlich nimmt er die Rolle des Instruktors ein. Es sieht so leicht aus, wenn einem ein Profi vormacht, wie es geht, einem selbst fällt es aber sichtlich schwer, auch nur annähernd an seine Fahrkünste heranzukommen. Was nicht bedeutet, dass es keinen Spaß macht – ganz im Gegenteil.

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Wenn man sich immer weiter an den Grenzbereich herantastet, vom Instruktor dabei per Funk immer wieder Ratschläge bekommt, wie man die nächste Kurve anfahren sollte und immer größeres Vertrauen in sich selbst bekommt, dann ist das sogar ein Heidenspaß. Leider lassen die Sitze etwas Halt in den Kurven vermissen, aber das kann andere Natur sein: Entweder der Autor dieser Zeilen hat zu Weihnachten zu viel genascht oder der Grip des Zuffenhauseners ist einfach zu stark, als dass man noch auf dem Gestühl bliebe.

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Hat man sich dann aber an den Grenzbereich herangetastet, zeigt sich folgendes Bild: Zunächst untersteuert der Porsche 911 Turbo S einen Hauch. Beim Gaswegnehmen dreht dann leicht das Heck ein, bevor das PSM perfekt abgestimmt eingreift. Entsichert man die weiße Waffe gänzlich, lassen sich schöne, gut kontrollierbare Drifts auf den Asphalt zaubern. Das zeigt sich auf Kyalami an zwei Stellen: erst an der hängenden Links-Rechts-Kombination „The Esses“ und letztlich an der letzten Linkskurve vor der Zielgerade, der „Barbeque“.

Wer es beherrscht, kann hier herrlich quer fahren, was natürlich schlecht für Reifen und Rundenzeiten ist. Dort heißt es dann aber wieder Vollgas zu geben – der Kopf hat wieder keinen Halt und ditscht gegen die integrierte Kopfstütze. Das PDK reicht so schnell die Gänge durch, wie ein Hütchenspieler auf dem Markt von Johannesburg, die Lenkung gibt sich stramm und reich an Feedback und das Fahrwerk lässt keinerlei Wankbewegungen oder Seitenneigung zu – einfach atemberaubend. Und viel zu schnell vorbei. Zurück in der Boxengasse lassen wir unseren Blick durch den Innenraum schweifen.

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Zeit zum Durchatmen: Das Interieur ist, wie man es bislang auch vom 991 I – also der Version vor dem Facelift – kennt aufgeräumt und wohnlich. Das Infotainment-System verfügt nun über Apple Carplay und einen nahezu rahmenlosen Bildschirm, aber der Rest wurde von Überarbeitungen nahezu verschont. Das Wort ist bewusst gewählt, da alles optimal angeordnet ist. Die Schalter und Hebel sitzen dort, wo sie Hingehören und werden bestens erreicht. Der Qualitätseindruck ist gut, das Carbon schmeichelt nicht nur der Hand, sondern auch den Augen und passt somit optimal in das Design des sportlich-dynamischen Cockpits. Selbst das Raumangebot ist gut: Fahrer nahezu jeder Größe und Statur können sich hier wohlfühlen, da in alle Richtungen genügend Bewegungsfreiheit zur Verfügung steht.

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Und hinten? Vorhanden… sitzen sollte dort niemand, das ist klar – noch nicht mal die vielzitierte Schwiegermutter. Die beiden Plätze können ausschließlich als Ablage dienen und sollten auch nur als solche verstanden werden. Das ist auch bitter nötig, da der Kofferraum unter der Fronthaube nur 115 Liter Volumen hergibt. Aber was erwarten wir? Der Porsche 911 ist ein waschechter Sportwagen, da muss man nicht erwarten, dass man eine Waschmaschine mit ihm transportiert bekommt. Also Schwamm drüber.

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War noch was? Ja, die Bedienung. Der Bordcomputer lässt sich erst nach reichlich Eingewöhnung mit dem Lenkstockhebel bedienen. Nicht sehr glücklich, zumal der Individual-Mode für Fahrwerk, Ansprechverhalten, Lenkung etc. über ihn erfolgt. Die Bedienung des Infotainments glückt hingegen problemlos, sofern man keine großen Fahrzeugeinstellungen damit vornehmen möchte – dafür ist es einfach nicht gedacht.

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Aber zurück zum Fahren: Die Rennstrecke mag eindrucksvoll sein, aber sie stellt definitiv nicht das tägliche Geschäft für den Porsche 911 Turbo S dar. Also raus ins Getümmel Südafrikas und fühlen, wie sich der Supersportler anstellt. Und siehe da, der Bolide fährt sich handzahm, wie ein VW Golf. Der neue Totwinkel-Warner warnt vor Gefahren, das PDK schaltet im Stopp-an-Go-Gewirr der Metropole butterweich und unmerklich, während der Schwabe sanft das Gas annimmt. Die Lenkung gibt sich zielgenau aber nicht zu hart oder stramm und sogar der Fahrkomfort ist mehr als akzeptabel. Aber wehe, wenn er losgelassen: Kaum fallen die Stadtgrenzen, genügt ein kleiner Gassstoß um seinen Führerschein für lange Zeit in Verwahrung zu geben. Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnt, habe aber der 911 Turbo S ballert in 2,9 Sekunden auf 100 km/h.

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Ja er ballert, wie eine Kanonenkugel! Die Launch Control zaubert einem dabei immer wieder ein dummes, stilles Lächeln ins Gesicht, während der Magen gegen die Wirbelsäule gepresst wird. Lässt man den Fuß schwer auf dem Gaspedal stehen, ist erst bei 330 km/h Schluss – genug, wie ich meine. Viel mehr Spaß macht es aber, immer mal wieder das Rauschen der Lader im Rücken zu hören, wenn einen die 580 Pferde in den Sitz drücken und man den nächsten Überholvorgang hinter sich gebracht hat.

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Viel zu schnell ist der Spaß wieder vorbei. Aber umso häufiger nutzt man die Chance, sich an die Spitze eines Feldes zu setzten. Zum Beispiel an das der Sportwagen-Riege. Gefahren sind wir auch noch kurz den neuen Porsche 911 Targa, was uns dazu einfällt? Das lest ihr im nächsten Beitrag. Warum schreibe ich eigentlich immer wir? Bei Fahrveranstaltungen sind die Fahrzeuge in der Regel mit zwei Personen besetzt und so war es in diesem Fall auch, ich teilte mir das Cockpit quasi mit dem Mr. Stig von rad-ab.com ;). Also wenn ihr mich fragt, ob man einen Porsche 911 Turbo – Turbo braucht – dann sage ich: JA! Knackpunkt ist natürlich der Preis, da steht eine 2 vorne gefolgt von vielen anderen Zahlen, aber lasst uns einfach noch etwas weiter träumen…

Fotos: © Porsche 2016