Ich bin 34 Jahre alt, Vater, Hundebesitzer und eigentlich aus dem Sandkasten raus. Heute allerdings, da fühlte ich mich wie ein kleiner Junge, der mit seinem Spielzeugauto im Sandkasten, im Matsch, im Schlamm gespielt hat. Was unterscheidet Männer von kleinen Kindern? Der Preis der jeweiligen Spielzeuge, doch dazu später mehr:
5,5 Liter Hubraum, 544 PS und ein Drehmoment von 760 Nm! Das klingt nach einem Sportwagen, eventuell sogar nach einem kleinen LKW und ich sitze irgendwie in einer Mischung aus allem, was ich bis dato gefahren bin. Mit einer Länge von 5,875 Metern ist er länger als manch Mercedes-Benz Sprinter, mit einer Höhe von 2,28 Meter ist er fast doppelt so groß wie manch Sportwagen und mit einem Leergewicht von 3.85 Tonnen da schlägt er auch ganz besondere Rekorde. Bei dem zulässigen Gesamtgewicht von 4,5 Tonnen bin ich ja wahrlich froh, noch über einen alten “Klasse 3” Führerschein zu verfügen, denn damit darf ich ihn fahren. Den Mercedes-Benz G63 AMG 6×6!
Die anderen Werte sind nicht weniger spektakulär, mit einer Watttiefe von einem Meter wird aus manchen Flüssen nur ein kleiner Bach, mit dem Böschungswinkel von 52° vorne und 54° hinten muss der Fahrer sich erst einmal trauen in diese extremen Bereiche zu fahren. Dank einer Bodenfreiheit von 460 mm überfährt man alles, was man sonst übersieht. Sollte es mal nicht weitergehen, dann kann man auf Knopfdruck die Luft aus den Reifen lassen und natürlich auch wieder befüllen. Die Reifen sind in dem Fall über einen verschraubten Ring mit der Felge verbunden, damit sich diese nicht von der Felge drehen können. So kann man mit extrem breiten Reifen (weniger Luftdruck = mehr Aufstandsfläche) sich durch den Sand wühlen und dann schnell wieder Luft aufpumpen (vier 20 Liter Druckspeicher stehen zur Verfügung, jeweils 40 Liter pro Achse) wenn es wieder auf die Straße geht. Mit Vollgas auf die Autobahn? Nun gut, wäre möglich, doch die Höchstgeschwindigkeit ist auf 160 km/h begrenzt. Dieses ist wohl der Stabilität geschuldet, aber wer möchte mit so einem Kraftprotz auch wirklich auf die Autobahn?
Lasst uns bitte bei einem Fahrzeug dieser Klasse, welches über 450.000 Euro kostet, nicht über den Verbrauch reden. Der Bordcomputer kann nicht mehr als 30 Liter anzeigen, der Verbrauch dürfte höher liegen, je nach dem wie man den Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 nutzt. Natürlich ist das Fahrzeug ein Spielzeug! Ein Spielzeug für die Reichen, für diejenigen die z.B. schon einen Mercedes-Benz SLS AMG Electric Drive in der Garage haben und somit nicht einmal ein schlechtes Umweltgewissen haben müssen. Im Vergleich zum 6×6 wirkt der Elektro-Supersportwagen mit einem Preis von 416.500 Euro ja fast günstig.
So zählen wir mal gemeinsam durch:
8-Zylinder hat der bekannte G63 AMG Motor, der seine Leistung aus 5,5 Litern Hubraum realisiert.
7-G-Tronic! Dieses Fahrzeug wird nicht von der Hand geschaltet, hier überlässt man es der bewährten Technik! Geschaltet wird also wie in einer ganz normalen G-Klasse und wenn man erst mal Platz genommen hat, dann fühlt man sich auch irgendwie so. Er lässt sich sogar relativ leichtfüßig lenken, ganz und gar nicht wie ein LKW.
Sechs Räder! Alle angetrieben! Das dreiachsige Fahrgestell wurde übrigens zunächst für die australische Armee produziert, als Rechtslenker! Mercedes-Benz baute “einfach” mal einen Linkslenker und hat sich sicherlich nicht über den Anklang – auch in der zivilen Welt – gewundert!
Fünf Differentialsperren! Die sorgen dafür, dass der Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 sich durch wahrlich jedes Gelände wühlen kann. Geschaltet wie beim “normalen” G-Modell auch, gibt es im G63 AMG 6×6 aber noch zahlreiche Schalter mehr, so z.B. für die oben bereits angesprochene Luftdruck-Anlage.
4 Tonnen! Was für ein Gefährt! Während es bei allen anderen Fahrzeugen immer nur noch um die Gewichtsreduzierung geht, wurde ich hier das Beste vom Besten verbaut. Das Fahrwerk z.B. wird normalerweise in den gepanzerten Modellen der G-Klasse verwendet und die Stoßdämpfer verfügen über ein externes Reservoir – einer Technik die aus dem Motorsport bekannt ist. Wir durften uns die Fertigung anschauen, bei der G-Klasse läuft das Fahrzeug zwar auch vom Band, doch hier steckt noch viel mehr Handarbeit hinter als bei vielen anderen Fahrzeugen. Von Hand geschweißt wird z.B. die Karosserie. Fotos aus dem Werk zeige ich euch bald in einem separaten Beitrag.
Drei Fahrprogramme stehen dank der 7-G-Tronic zur Verfügung: Im “C-Modus” – das steht für “Controlled Efficiency” soll eine, ich nenne es mal möglichst ökonomische Fahrweise, möglich sein. In den eher typischen Fahrprogrammen “Sport” oder aber “Manuell” wird der Power-Train, also die Symbiose aus Motor und Getriebe scharf geschaltet. Kürzere Schaltzeiten – mehr Fahrspaß.
Zwei Sitzplätze vorne! Das bleibt beim alten, auch im G63 AMG 6×6 gibt es vorne “nur” zwei Sitzplätze, diese natürlich mit allem nur erdenklichen Luxus ausgestattet und ich bin echt froh darüber, dass es auch der “alte Haltebügel” in den “Über-G” geschafft hat. Nebenbei erwähnt ist das Fahrzeug so schwer wie zwei aktuelle Mercedes-Benz S-Klassen und kostet auch ungefähr genauso viel (je nach Ausstattung der jeweiligen S-Klasse).
1 Meter Wattiefe! Bis dahin darf das Wasser reichen, ohne dass der Motor Wasser zieht (Wasserschlag) oder andere Teile (elektrische) beschädigt werden.
Mercedes-Benz selbst spricht von einer automobilen Unabhängigkeitserklärung oder halt vom spektakulärsten Geländewagen aller Zeiten! Unabhängig? Leider nicht von der Öl-Industrie, denn der (dank Zusatztank) 160 Liter fassende Treibstoffbehälter möchte bestimmt in regelmäßigen Intervallen gefüllt werden. Was fehlt? Der Beschleunigungswert? Wie schnell schafft es der Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 von 0 auf 100 km/h, also quasi die Standart-Sprint? Der wurde vorher nämlich noch nicht kommuniziert und konnte auch nicht bei den ersten Testfahrten ermittelt werden! In 7,9 Sekunden beschleunigt der Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 von 0 auf 100 km/h – das hört sich nun – im Vergleich mit Supersportwagen langsam an, aber unter uns? Die Beschleunigung war brachial, die dabei enstehenden Auspuff-Symphonien genial und das Fahrgefühl phänomenal. Reicht das nicht? Kaufen würde ich mir den Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 natürlich nicht, das Fahrzeug passt weder vor noch in unsere Garage und würde auch sonst die Einfahrt hier versperren. Die Tatsache, dass das Fahrzeug doppelt so viel kostet wie unser Reihenhäuschen, habe ich inzwischen schon wieder vergessen. Der Preis verdirbt doch die Romantik und wer träumt nicht davon mit so einem Fahrzeug mal durch die Wüsten zu fahren? So ganz ohne Straßen, ohne Wege, ohne Ziel? Viele würden vor so einem technischen Meisterwerk nieder knien, doch Fashion-Fotograf Peter Atkins diente der nur als Hintergrund, doch seht mal selbst.
Ob Mercedes-Benz für solche Fälle dann auch Tankflugzeuge bereit stellen kann? Der Umweltverbund, Greenpeace und alle Birkenstock-Träger werden es mir verzeihen, doch diese kurze Probefahrt war es einfach Wert – da meine Umweltbilanz in diesem Jahr sowieso unterirdisch ist, fällt der G63 AMG 6×6 nun auch nicht mehr ins Gewicht. Obwohl, wartet mal, müsste der nicht auf Grund seines Gewichtes besonders gut da stehen beim CO2-Labeling? Dafür müsste er erst einmal in Deutschland verkauft werden, der Markt für dieses Fahrzeug ist dann allerdings doch eher in Wüstengegenden zu finden und da macht so ein Fahrzeug ja auch eher Sinn, oder?
Wie immer in der Angetestet-Rubrik muss sich auch der Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 ein paar typische Fragen gefallen lassen:
Was ist das für ein Typ?
Auf jeden Fall das ungewöhnlichste Gefährt was ich in meinem 34 jährigen Leben bewegt habe. Mal leicht abgehoben von der Fahrbahn bin ich bereits, aber mit einem Gewicht von ca. 4,3 Tonnen (mit Insassen) gesprungen? Ne, das war eine Premiere.
Kann ich mich darin sehen lassen?
Ich persönlich bin mit meiner Körpergröße von 1,74 Metern zu klein für dieses Fahrzeug, aber wenn ich den MountGeverest erst mal erklommen habe, dann kann mich jeder sehen – und vor allem nicht übersehen! Man muss nicht groß sein – um groß zu sein, beim G63 AMG 6×6 wird jeder Mitfahrer zum Riesen, dank den “tiefergelegten” Einstiegshilfen ist der Einstieg übrigens auch für kleinere “Reiche” kein Problem. Für die gibt es dann auch wie gewohnt eine Gurthöhenverstellung und natürlich lässt sich auf das Lenkrad elektrisch axial und vertikal verstellen. Im Innenraum ist er übrigens, bis auf die neue Armatur für die Luftdruckbetankung der Rad-Reifen-Kombination eine typische G-Klasse geblieben.
Ist er praktisch und familientauglich?
Nein! Lasst uns nun nicht mit Ladekanten anfangen, bei einer Ladekante, die bei mir auf Brusthöhe ist, brauchen wir da gar nicht weiter testen. Einparken in der Stadt oder aber auch der Wendekreis in der Dorfstraße? Ich bitte euch! Das will man doch mit so einem Fahrzeug auch gar nicht erleben. Praktisch: Der hässliche Vorgarten vom Nachbarn könnte nun auch mit einem “Ups, den hab ich übersehen!” durch einen Profilabdruck verschönert werden. Vor dem Kindergarten hätte man sicherlich den ganz großen Auftritt und wäre sicherlich nicht nur der Held der eigenen Kinder.
Höhepunkt?
Wenn man drin sitzt, sitzt man irgendwie immer noch in einer G-Klasse. Dem “Legendewagen“, den es ja auch schon seit 34 Jahren gibt! Man hat auch das gleiche Geräusch wenn man die Türen schließt und fühlt sich direkt sicher. Sicher und geborgen. Die G-Klasse ist kein SUV, sie ist ein Geländewagen. Der G63 AMG 6×6 ist eine extreme Version der G-Klasse und bietet sicherlich von allem “noch ein Scheibchen” mehr. Er ist höher, länger und bietet den Mitfahrern auf den hinteren Plätzen auch mehr Platz. Leichte Bodenwellen? Nicht gespürt! Ruckelpiste? Überflogen? Ein kleiner Berg? Ups, war da was? Der Mercedes-Benz G63 AMG 6×6 überfährt Hindernisse als wenn diese gar nicht vorhanden wären.
Tiefpunkt?
Beim Aussteigen habe ich mir teilweise ein Bungee-Seil oder ein Fallschirm gewünscht, ich habe nicht nachgemessen, aber 75-80 cm werden es wohl gewesen sein die ich da überwinden musste. Aber vermutlich fehlt mir hier nur die Übung.
Kann ich Ihn mir leisten?
Nur wenn ich meinen SLS AMG in Zahlung geben und das Haus verkaufen würde, das würde ich aber nicht tun, denn der 6×6 hat keine Flügeltüren ;). Mit einem Preis von über 450.000 Euro liegt er vermutlich nicht in “jedermanns” Budget, aber macht das nicht auch einen Traumwagen aus? Von was sollen wir denn noch träumen, wenn wir uns alles leisten können? Ist der 6×6 ein Traumwagen? Nun, er basiert auf einer fahrenden Legende, bringt unheimlich viel Spaß mit sich und bringt Leute nicht nur zum stehen bleiben, sondern sorgt auch dafür, dass diese sich umdrehen bzw. den Hals verdrehen. Ich denke, das reicht schon um als “Traumwagen” zu gelten und welcher Traumwagen war jemals vernünftig?